Hanau – Der Widerruf von Kfz-Finanzierungen beschäftigt derzeit eine Vielzahl von Gerichten in Deutschland. Anders als in der Vergangenheit (Widerruf von Immobilien-Finanzierungen) steht beim Widerruf einer Kfz-Finanzierung nicht der sich aus dem Widerruf möglicherweise ergebende Zinsvorteil im Vordergrund; der Widerruf der Kfz-Finanzierung verfolgt vielmehr den Zweck, den mit der Finanzierung verbundenen Kaufvertrag rückabzuwickeln. Auf diesem Wege kann sich für den Verbraucher u. a. auch die Möglichkeit ergeben, den Folgen der aktuell zu beobachtenden Wertentwicklung beiDieselfahrzeugen zu entgehen.

Nachdem bereits diverse Gerichte (LG Berlin, LG Arnsberg, LG Ellwangen und LG München I) die Finanzierungsverträge der VW Bank für widerrufbar hielten, kann einer aktuellen Äußerung des LG Stuttgart vom 02.05.2018 (Az. 12 O 94/18) entnommen werden, dass möglicherweise auch Finanzierungsverträge der Mercedes-Benz Bank fehlerhaft sind. Während sich die Ausführungen in dem Urteil des LG Berlin gegen die VW Bank auf eine Vielzahl von Kfz-Finanzierungen anderer Banken (wie bspw. BMW Bank, RCI Banque, Santander Bank, Opel Bank, Commerzbank, FGA Bank, u.v.m.) übertragen lassen, betreffen die voraussichtlichen Konsequenzen der Äußerung des LG Stuttgart wohl ausschließlich Verträge der Mercedes-Benz Bank.

Umso größeres Interesse dürfte, nicht zuletzt für die von erheblichen Wertverlusten betroffenen Dieselfahrer, einaktuelles Urteil des LG Heilbronn (Entscheidung vom14.06.2018, Az. 6 O 151/18) wecken.

Nach Auskunft des Klägervertreters – des auf das Verbrauchschutzrecht spezialisierten Rechtsanwalts Andreas H. Paul, LL. M. – führte das Landgericht in seinen Entscheidungsgründen u. a. aus, dass der Verbraucher im Fall eines sog. Verbundgeschäfts (d. h. der Finanzierungsvertrag ist – wie regelmäßig auch beim Autokauf – mit dem Kaufvertrag verbunden) im Falle des Widerrufs keinen Zins schuldet.

Der auf unzähligen Vertragsprüfungen resultierenden Erfahrung der spezialisierten Kanzlei zufolge, würden die meisten Banken in den von ihnen verwendetenWiderrufsbelehrungen – entgegen der Rechtsauffassung des LG Heilbronn – gleichwohl angegeben, dass der Verbraucher im Falle des Widerrufs „den vereinbarten Sollzins zu zahlen“ habe. Darüber hinaus würde in die Musterwiderrufsbelehrung auch vielfach ein konkreter Zinsbetrag eingesetzt werden, den der Verbraucher im Fall des Widerrufs pro Tag an die Bank zu zahlen habe. Diese Angaben, so Rechtsanwalt Paul, seien für den Verbraucher – den konkreten Ausführungen des LG Heilbronn folgend – „höchst verwirrend und falsch“.Ausdrücklich führt das Landgericht (a.a.O.) aus:

„Durch den wirksamen Widerruf der auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen hat sich dieser in ein Rückabwicklungsschuldverhältnisumgewandelt. Der Widerruf der auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung führte zugleich dazu, dass die Kläger nicht mehr an den verbundenen PKW Kaufvertrag gebunden sind. Gemäß § 358 Abs. 4 S. 3 BGB tritt die Beklagte im Verhältnis zu den Klägern hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Verkäufers ein. Dadurch wird der Verbraucher vor den Folgen einer Aufspaltung des Rückabwicklungsschuldverhältnisses geschützt. Er ist auch nicht mehr zur Rückzahlung des zur Finanzierung des Drittgeschäfts aufgewandten Kreditbetrages an den Darlehensgeber verpflichtet. Die Rückabwicklung der an den Verkäufer im Sinne des § 358 Abs. 4 S. 3 BGB geflossenen Leistungen hat demnach nur im Verhältnis zwischen diesem und der Beklagten zu erfolgen (so genannte bilaterale Abwicklung, vgl. BGH WM 2011, 451 ff.) Wenn die Kläger aber infolgedessen zu keiner Darlehensrückzahlung an die Beklagte verpflichtet waren, bestand erst recht keine Verpflichtung zu einer Zahlung eines Wertersatzanspruchs in Höhe der vertraglich vereinbarten Darlehenszinsen. (…) Dem Gericht ist aus anderen Verfahren (…) hinreichend bekannt, dass dann, wenn der Darlehensgeber (…) angegeben hat, der Darlehensnehmer müsse – bei Vorliegen eines Verbundgeschäfts – die vertraglichen Tageszinsen bezahlen, die Verbraucherseite diese Information als höchst verwirrend und falsch kritisiert, weil der widerrufende Verbraucher beim Verbundgeschäft gerade keine Darlehensrückzahlung schulde.“

Zwar gibt es auch einige Banken, die in ihreWiderrufsbelehrungen den nach Ansicht des LG Heilbronn korrekten Zinsbetrag in Höhe von „0,00 Euro“ angegeben und insoweit den Verbraucher zutreffend über die Widerrufsfolgen belehrt haben. Doch wurde auch in diesen Darlehensverträgen nach den Angaben von Rechtsanwalt Paul – in nahezu allen Fällen – ein gravierender Fehler gemacht, denn „obgleich der Zinsbetrag in diesen Fällen mit 0,00 Euro angegeben wird, ergibt sich aufgrund anderslautender Angaben an anderer Stelle der Widerrufsbelehrung ein unauflösbarer Widerspruch, der zur Verunsicherung und Irritation beim Verbraucher führt“, konstatiert Rechtsanwalt Paul.

Dabei steht der Verbraucherschützer mit seiner Auffassungkeinesfalls alleine da. Rückendeckung erhält er u. a. auch seitens der Rechtsprechung. So hat in diesem Kontext bereits das AG Itzehoe (rechtskräftiges Urteil vom 26.02.2015, Az. 94 C 343/1) die im Urteilsfall beklagte Bank ausdrücklich – unter Hinweis auf den verwirrenden Widerspruch in der Widerrufsbelehrung – zur Rückabwicklung verurteilt. Dass der Verbraucher in den beschriebenen Fällen nicht eindeutig erkennen könne, ob er im Falle des Widerrufs Zinsen schuldet oder nicht, lasse sich – so Rechtsanwalt Paul – ferner auch der Begründung einer Entscheidung des OLG Hamm (Urteil vom 23.11.2015, Az. 31 U 94/15 entnehmen.

Zu gleichen Ergebnissen gelangen auch Kollegen, wie z. B. der auf das Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierte Rechtsanwalt Arnd S. Tenfelde, LL. M., welcher nach eigenen Angaben einen entsprechenden, eindeutigen Hinweis des OLG Düsseldorf vom15.12.2017 (Az. I-7 U 99/17) erhalten hatte, nachdem bereits das LG Düsseldorf mit seinem Hinweisbeschluss vom 12.10.2016 (in der Sache 10 O 248/14)klargestellt hat, dass Darlehensverträge aufgrund der oben beschriebenen Angaben widerrufbar seien.

 

Hinweis:https://www.ppa-kanzlei.de/rechtsanwalt/andreas-paul/

 

Artikel- und Bildquelle: https://www.hessen-depesche.de/wirtschaft/nahezu-jede-kfz-finanzierung-widerrufbar.html